Normen in der Elektrotechnik – “Man muss nur wissen wo es steht!!!!!!” 

Normen in der Elektrotechnik – “Man muss nur wissen wo es steht!!!!!!” 

Deutschland, die EU und mittlerweile die ganze Welt ist ein Geflecht an Normen, Richtlinien, Verordnungen und Gesetzten. Was in Fach- und Lehrbüchern und Fachartikeln dem Anwender häppchenweise anwendungsspezifisch und in verständlicher Sprache erläutert wird, verbirgt im Hintergrund eine Kombination aus technischen Möglichkeiten gepaart mit den derzeit gültigen Normen und weiteren Anforderungen. Besonders im Rahmen der Berufs- und Meisterausbildungen im Elektrohandwerk birgt die reine Lehre nach Lehrbuch ein großes Risiko. Das reine Lehrbuch stellt lediglich eine Vermittlung von Hintergrundwissen gepaart mit der für die Prüfung relevante Stoffvermittlung. Man lernt demnach nur für die bevorstehende Prüfung anhand des derzeitigen Normenstandes. In der Realität werden allerdings Normen regelmäßig überarbeitet, wodurch sich Anforderungen ändern, erweitern und neue Aspekte hinzukommen. Hierzu ist es sowohl für angehende als auch ausgebildete Gesellen und Meister im Elektrohandwerk unerlässlich den Wissenstand von der Ausbildung kontinuierlich auf dem Laufenden zu halten.

Meine aktuelle Beitragsserie in der Fachzeitschrift Elektropraktiker gibt in den Ausgaben Februar 2021 bis Juni 2021 unter der Rubrik “Lernen und Können”  einen Überblick über die Entstehung, Struktur und Anwendung der für das Elektrohandwerk relevanten Normen. Es soll dem Leser eine Orientierungshilfe im Normendschungel geben und die Grundlagen der Normung und der Interpretation vermitteln.

 

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim lesen.

Karlsruhe, den 10.06.2021

Risiko- und Sicherheitsbewertung – Notwendigkeit von AFDDs

Risiko- und Sicherheitsbewertung – Notwendigkeit von AFDDs

Marc Fengel


Hinweis zum Beitrag: Dieser Beitrag stellt meine persönliche Meinung auf Basis der angegebenen Quellen dar. Die Ausführungen stellen lediglich eine Möglichkeit dar, den Sachverhalt zu beurteilen. Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In keinem Fall ersetzt dieser Beitrag eine ordentliche Planung und Entbindet nicht vor weiteren gesetzlichen und privatrechtlichen Obliegenheiten.  


 

Neue Herausforderungen für die Akteure!!!

Mit Anwendungsbeginn der neuen DIN VDE 0100-420 vom Oktober 2019 ist nach Abs. 421.7 die Durchführung einer Risiko- und Sicherheitsbewertung normativ gefordert. Damit obliegt dem Errichter einer große Bürde. Bisher wurde auf Grundlage EnWG §49 die Sicherheit bei Einhaltung der VDE Bestimmungen vermutet.

Was für Hersteller die Risikobeurteilung im Rahmen des Inverkehrbringungsprozesses ist, ist für den Betreiber die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Ersteres hat zum Ziel sichere Produkte im europäischen Wirtschaftraum in Verkehr zu bringen indem das Produkt entsprechend den harmonisierten Normen konstruiert wird, der Nutzer durch eine Montage- und Bedienungsanleitung in die Lage versetzt wird das Produkt bestimmungsgemäß zu verwenden und über mögliche Restrisiken informiert wird. Ähnliches gilt für Betreiber. Betreiber sind gegenüber ihren Beschäftigten in der Pflicht sichere Arbeitsmittel (Maschinen, Werkzeuge, etc.) in Kombination eines sicheren Arbeitsumfeldes bereitzustellen zu stellen sowie die Beschäftigen in die Lage zu versetzen die Arbeiten sicher auszuführen und über Gefahren zur Warnen.

 

Wer entscheidet trägt die Verantwortung?!?!?

Der normative Empfehlungen nach DIN VDE 0100-420 Abs 421.7 mit flexibel handhabbaren Durchführungsmethoden kombiniert, kommt zu folgendem Ergebnis [siehe Zeichnung]. Die Abbildung zeigt die klassische Vorgehensweise einer Risikobeurteilung. Diese besteht aus folgenden Teilen:

  • Risikoanalyse
  • Risikobewertung
  • Entscheidung, ob ein Risiko vertretbar ist
  • Risikominderung, falls erforderlich
  • Dokumentation

Lässt man die Skizze auf sich wirken wird schnell klar, dass das Thema alles andere als trivial ist. Es gibt einfach zu viele Eventualitäten sowie und technische und organisatorische Möglichkeiten. Und das alles in Kombination mit  mehreren Entscheidern, bei denen allerdings einer die regelkonforme und sichere Errichtung bestätigt, nämlich der Errichter.

 

Wer blickt da noch durch?!?!?

Übertragen wir die übliche Vorgehensweise bei Risikobeurteilungen auf die Notwendigkeit von AFDDs, wird allein Durch die Empfehlungen nach DIN VDE 0100-420 Abs. 421.7 schnell klar, dass die Durchführung und Entscheidung von vielen Faktoren abhängt. Wer soll das noch Händeln???

 

Fazit

Die Durchführung einer Risiko- und Sicherheitsbewertung erfordert insbesondere beim Thema Brandschutz eine enge Kooperation in allen Projektphasen von Planern, Errichtern und Betreibern. Sie alle sollten in den Entscheidungsprozess hinsichtlich der Verwendung erforderlicher Schutzvorkehrungen einbezogen werden. Allerdings richtet die sie Norm DIN VDE 0100-420 an Errichter. Sie sind das letzte Glied im Entscheidungsprozess und stehen in der Haftung für ihr Gewerk. Die neue DIN VDE 0100-420 lässt hier auch Raum für Interpretationen:

  1. Die Methodik der Durchführung von Risiko- und Sicherheitsbewertungen sind nicht festgelegt und demnach offen, was Unklarheit für Planer und Errichter schafft.
  2. AFDDs werden in bestimmten Räumen und Bereichen empfohlen. Die Empfehlung lässt Raum für Interpretationen und schafft keine Planungssicherheit.
  3. Die unbestimmte Durchführung von Risiko- und Sicherheitsbewertung können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dieser Sachverhalt führt bei Ausschreibungen zu Wettbewerbsverzerrungen.

 

Lesen Sie hierzu auch meine aktuellen Fachbeiträge:

Fachartikel: Auswirkungen von Fehlerlichtbögen erkennen Risiko- und Sicherheitsbewertung in der Planungsphase

https://www.elektropraktiker.de/nc/fachartikel/auswirkungen-von-fehlerlichtboegen-erkennen/

Fachartikel: Klarheit für den Einsatz von AFDDs

https://www.elektropraktiker.de/nc/fachartikel/klarheit-fuer-den-einsatz-von-afdds/

Fachartikel: AFDDs sollen Brandschutzlücke schließen

https://www.elektropraktiker.de/nc/fachartikel/afdds-sollen-brandschutzluecke-schliessen/

Klarheit beim Einsatz von AFDDs – Leitfaden zur Erstprüfung

 

Karlsruhe, den 01.03.2020

Marc Fengel

 

 

 

Klarheit beim Einsatz von AFDDs – Leitfaden zur Erstprüfung

Klarheit beim Einsatz von AFDDs – Leitfaden zur Erstprüfung

Mit der neuen Ausgabe der DIN VDE 0100-420: 2019-10 wird in Sachen Brandschutzschalter (AFDD) normativ die Durchführung einer Risiko- und Sicherheitsbeurteilung gefordert. Dadurch weicht die reine „Normenreiterei“ einer projektbezogenen Fachplanung und nimmt Planer und Betreiber stärker in die Verantwortung.

Marc Fengel

Der Leitfaden steht unter folgendem Link zum download bereit: Leitfaden bei Prüfungen_AFDDs_rev_191029

 

Einführung

Nach §49 EnWG sind elektrische Anlage so zu errichten, dass Personen und Nutztiere nicht durch die Gefahren des elektrischen Stromes gefährdet werden. Elektrische Anlagen gelten als sicher, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung nach den zum Errichtungszeitpunkt gültigen Regeln der Technik errichtet sind. Diese werden vermutet, wenn die Anlage nach den zum Errichtungszeitpunkt gültigen VDE Bestimmungen errichtet wurde. Damit besteht bei Einhaltung der zutreffenden VDE Bestimmungen die sogenannte Vermutungswirkung für Planer und Errichter. Die DIN VDE 0100-420 legt Anforderungen an den Schutz gegen thermische Auswirkungen fest. Nach DIN VDE 0100-420 Abs. 421.7 sind besondere Maßnahmen zum Schutz gegen die Auswirkung von Fehlerlichtbögen in Endstromkreisen für folgende Bereiche empfohlen:

  • Räumlichkeiten mit Schlafgelegenheiten
  • Feuergefährdete Betriebsstätten oder gleichzusetzende Risiken, wie z.B. Räume oder Orte mit Gefährdungen für unersetzbaren Güter
  • Bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist
  • Räume oder Orte aus Bauteilen mit brennbaren Baustoffen, wenn diese einen geringeren Feuerwiderstand als feuerhemmend aufweisen

Die Erkennung von besonderen Risiken durch Auswirkungen von Fehlerlichtbögen in Endstromkreisen für die genannten Räume und Orte ist in der Planungsphase durch eine Risiko- und Sicherheitsbewertung zu identifizieren. Als Ergebnis der Risiko- und Sicherheitsbewertung haben idealerweise alle Partien (Planer, Errichter und Betreiber) gemeinsam die Notwendigkeit präventiven Maßnahmen zur Erkennung und Löschung von Fehlerlichtbögen festzulegen. Mit der Empfehlung der Verwendung von Brandschutzschaltern (AFDD) stellt dieser eine von mehreren Möglichkeiten, die im Abschnitt 421.7 der DIN VDE 0100-420 nicht genannt werden, dar. Damit sind weitere Vorkehrungen zum Schutz und zur Überwachung möglich. Das Ergebnis der Risiko- und Sicherheitsbewertung ist zu dokumentieren. Daraus müssen die Notwendigkeit und Auswahl der Schutzvorkehrungen hervorgehen. Die Entscheidung über die Auswahl der Schutzvorkehrungen trifft so wie wir es bereits bei Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) kennen nicht die Norm, sondern Planer und Betreiber.

 

Durchführung

  1. Grundlage der Prüfung ist die Risiko- und Sicherheitsbewertung. Liegt diese vor, muss aus dem Ergebnis die Notwendigkeit von Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) für die bestimmten Bereiche hervorgehen. Liegt zum Zeitpunkt der Prüfung keine Risiko- und Sicherheitsbewertung vor, besteht eine normative Abweichung hinsichtlich der Forderung der Durchführung einer Risiko- und Sicherheitsbewertung gemäß DIN VDE 0100-420 Abs. 421.7. Es fehlt somit die Bewertungsgrundlage. Diese ist als Mangel aufzuführen.
  2. Ergibt die Risiko- und Sicherheitsbewertung oder geht aus weitere (z.B. vertragliche) Obliegenheiten hervor, dass Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) für bestimmte Bereiche vorzusehen sind, ist durch Besichtigen gemäß DIN VDE 0100-600 Abs. 6.4 und den Herstellervorgaben die korrekte Auswahl und Anordnung festzustellen. Fehlende Herstellervorgaben (z.B. Montage- und Bedienungsanleitung, Typenschilder) und Abweichungen gemäß DIN VDE 0100-600 Abs. 6.3 sind als Mangel aufzuführen.
  3. Ergibt die Risiko- und Sicherheitsbewertung, kein Erfordernis von Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) oder andere Schutzvorkehrungen, und liegend dennoch die nach DIN VDE 0100-420 Abs. 421.7 genannten Bereiche vor, ist das Ergebnis zu hinterfragen und ggf. weitere Nachweise einzufordern. In jedem Fall sollte der Prüfer auf die Abweichung im Prüfbericht hinweisen.

 

Quellen

Fengel / Elektropraktiker Ausgabe 11/2019 / Klarheit für den Einsatz von AFDDs – Die neue DIN VDE 0100-420 (VDE 0100-420)

Fengel / Elektropraktiker Ausgabe 03/2019 / AFDDs sollen Brandschutzlücke schließen

DIN VDE 0100-420- Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-42: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen thermische Auswirkungen; Oktober 2019

DIN VDE 0100-530 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte: Juni 2018

 

 

Der Leitfaden steht unter folgendem Link zum download bereit:

Leitfaden bei Prüfungen_AFDDs_rev_191029

 

Lesen Sie auch meine aktuellen Fachbeiträge zum Thema.

 

Fachartikel: Klarheit für den Einsatz von AFDDs

https://www.elektropraktiker.de/nc/fachartikel/klarheit-fuer-den-einsatz-von-afdds/

 

Fachartikel: AFDDs sollen Brandschutzlücke schließen

https://www.elektropraktiker.de/nc/fachartikel/afdds-sollen-brandschutzluecke-schliessen/

 

Publikationen und Veröffentlichungen

Karlsruhe, den 08.11.2019

Marc Fengel